Julius

Fontan-Komplikationen

Behandlung der Plastischen Bronchitis bei Julius in Philadelphia

Fußball spielen, singen, Trampolin springen, das sind nach wie vor Julius‘ absolute Lieblingsbeschäftigungen. Und das Schönste dabei ist: Er kann sie jetzt, nach der Behandlung seiner Plastischen Bronchitis in Philadelphia/USA, viel ausdauernder und ohne kraftraubende Hustenattacken ausüben. Für uns als Eltern und auch für ihn selbst ist das immer noch wie ein Wunder!

Unser Sohn Julius kam als unser zweites Kind im Januar 2006 in Bad Oeynhausen mit einem schweren Herzfehler (Trikuspidalaträsie, TGA, Hypoplastischer Aortenbogen u.a.) zur Welt. Sieben Monate nach seiner letzten korrigierenden Operation (Fontan-Operation im August 2011) hustete Julius zum ersten Mal sogenannte „Casts“ aus. Die erschütternde Diagnose lautete „Plastische Bronchitis“. Das ist eine lebensgefährliche, aber sehr selten auftretende Komplikation bei Patienten mit einem Fontankreislauf, bei der die Kinder sehr zähen, weißen, manchmal auch blutigen Schleim abhusten, der die Atemwege belegt und auch zu Erstickungsanfällen führen kann.

Die Ärzte des Herzzentrums erklärten uns damals, dass diese Krankheit bisher wenig erforscht sei und man die Ursachen dafür noch nicht genau kennt. Man vermutete Zusammenhänge mit dem erhöhten Venendruck, der mit der Fontanzirkulation einhergeht. Nach einem Herzkatheter, bei dem der Fontankreislauf noch einmal optimiert wurde, verordneten die Ärzte eine medikamentöse Behandlung mit Sildenafil und Bosentan. Diese Medikamente haben Auswirkung auf die Lungengefäße und wirken lungendrucksenkend. Außerdem sollte Julius während seines Aufenthaltes im Herzzentrum unter ärztlicher Beobachtung probeweise mit Actilyse inhalieren. Man erhoffte sich durch die Inhalation mit diesem blutverdünnenden Medikament, dass sich die Casts in der Lunge verflüssigen und dann besser abzuhusten sind. Unser Sohn inhalierte in den letzten drei Jahren außerdem zeitweise mit Cortison, mit Pulmozyme (ein Medikament, das bei Mukoviszidose angewendet wird), mit Salbutamol und mit 3%iger NaCl-Lösung. Wir haben aber weder im Krankenhaus noch zu Hause eine wirkliche Verbesserung der Beschwerden bemerkt und nach Absprache mit unserem niedergelassenen Kinderkardiologen ihn irgendwann ausschließlich dreimal am Tag mit isotoner Kochsalzlösung inhalieren lassen.

Julius‘ Gesundheitszustand war trotz der Plastischen Bronchitis in den letzten Jahren insgesamt meistens stabil. Lebensbedrohlich wurde die Krankheit zweimal, nämlich als er im Winter 2012 und 2013 zuerst eine Bronchitis und dann eine Lungenentzündung bekam. Infekte jeglicher Art führten jedes Mal zu einer vermehrten Bildung von Casts. Auch waren die Casts dann größer und schwerer abzuhusten. Seit Beginn der Plastischen Bronchitis hatte Julius außerdem nachts Sauerstoffbedarf. Seine Sättigungen sanken von ca. 87-90%, die er tagsüber meistens hatte im Schlaf auf zeitweise 80% (bei Infekten noch darunter). Wir bekamen Flüssigsauerstoff verordnet, den wir nachts über eine Nasenbrille verabreichten und bei Bedarf auch tagsüber in einem Mobilgerät mitführen konnten. In den Urlaub nahmen wir einen kompakten Sauerstoffkonzentrator mit, in dessen Funktion auch Julius‘ Lehrer eingewiesen wurden. Wir wollten, dass er trotz seiner Krankheit an Schulübernachtungen und an der Klassenfahrt teilnehmen konnte.

Seit Beginn der Plastischen Bronchitis machten wir uns eigentlich immer Sorgen um unseren Julius, besonders aber während der Erkältungssaison und sehr häufig nachts, wenn das Röcheln und der Husten besonders schlimm wurde. Im Frühjahr 2012 begannen wir damit, intensiver im Internet zu recherchieren und ich meldete mich bei Facebook an. Dort wurde ich Mitglied in verschiedenen Foren, in denen sich Familien mit Herzkindern über ihre Erfahrungen und Sorgen austauschen. Ich bekam den Tipp, es bei Julius noch mit einer MCT-Diät zu versuchen. Julius wurde von dem Zeitpunkt an streng fettarm ernährt und erhielt als Zugabe MCT-Produkte. Leider brachte auch diese Maßnahme die Plastische Bronchitis nicht zum Stoppen und wir kämpften weiter wöchentlich, manchmal auch täglich mit den bedrohlichen Casts.

Es war im Sommer 2013, als ich in einer englischsprachigen Facebook-Gruppe (‚Families dealing with Plastic Bronchitis‘) auf eine ganz hoffnungsvolle Nachricht stieß, die mich nicht mehr losließ: Dr. Dori und sein Team hatten am Children’s Hospital in Philadelphia/USA eine Behandlung entwickelt und durchgeführt, die einem Kind mit Plastischer Bronchitis geholfen hatte. Das Kind hatte nach der Behandlung keine weiteren Casts mehr abgehustet. Fortan las ich von einigen weiteren Eltern aus Amerika, die ihre Kinder in Philadelphia erfolgreich behandeln ließen.

Mein Mann und ich sahen endlich eine Chance für unseren Sohn, diese schreckliche Krankheit wieder los zu werden! Nach Gesprächen mit unseren Ärzten nahmen wir im Sommer 2014 Kontakt mit dem Children’s Hospital of Philadelphia auf (www.chop.edu). Es war zunächst erforderlich, einige Formulare in englischer Sprache auszufüllen. Außerdem benötigte das CHOP natürlich Arztbriefe, sowie Katheter- und OP-Berichte von Julius in englischer Sprache. Wir bekamen diese Unterlagen alle übersetzt von unserem Herzzentrum, sowie auch die Katheterbilder und –filme und schickten sie nach Philadelphia. Im Dezember 2014 telefonierte mein Mann mit Dr. Dori und wir erhielten die Nachricht, dass die Ärzte in Philadelphia  eine gute Chance sahen, Julius helfen zu können. Wir waren sehr aufgeregt und freuten und so sehr für unseren Sohn! In dem Telefonat erfuhren wir außerdem, dass die Behandlung etwa 6-8 Stunden dauert und dass wir mit einem Krankenhausaufenthalt von einer Woche rechnen mussten. Für meinen Mann war es keine Frage, dass er mit Julius zur Behandlung nach Amerika fliegen wollte.

Nun musste abgeklärt werden, ob die Auslandsbehandlung in den USA bezahlt wird. Wir wendeten uns also zunächst an die Beihilfestelle, denn Julius ist über mich zu 80% beihilfeberechtigt. Die restlichen 20% der Arztkosten bekommen wir von einer privaten Krankenversicherung ersetzt. Mit der Versicherung musste also auch noch gesprochen werden. Natürlich war es nötig, die Stellungnahmen unserer behandelnden Ärzte einzureichen, aber als alle Unterlagen vorlagen waren beide Stellen bereit, den sechsstelligen Betrag, der für die Behandlung vorab durch das CHOP veranschlagt wurde, zu übernehmen. In unserer Familie machte sich Freude, Hoffnung, aber auch Dankbarkeit breit. Dankbar waren und sind wir für die außerordentliche Unterstützung, die wir schon bei den Vorbereitungen durch unsere Ärzte erfahren durften!

Kurz vor Ostern 2015 folgte eine aufregende Telefonkonferenz mit den behandelnden Ärzten in Philadelphia und unserem niedergelassenen Kinderkardiologen. Hierfür und für alle weiteren persönlichen Gespräche vor Ort wurde uns ein Dolmetscher angeboten. Die Ärzte erklärten uns am Telefon noch einmal im Detail den geplanten Ablauf für den Eingriff und es wurden mit unserem behandelnden Arzt einige Einzelheiten, auch für den bevorstehenden neunstündigen Flug in die Staaten abgeklärt. Im Anschluss an das Telefonat erhielten wir den Termin für die Aufnahme ins CHOP.

Am 26.05.2015 wurde Julius zusammen mit meinem Mann ins Childrens’s Hospital aufgenommen, am 28.05. erfolgte dann der Eingriff. Wir planten insgesamt eine Reisedauer von zwei Wochen ein. Die Anreise in die USA erfolgte drei Tage vor der Aufnahme und der Rückflug war für zwei Wochen später gebucht.

Der gesamte Eingriff findet unter Vollnarkose und intubiert statt. Ein Lungenfacharzt führt eine Bronchoskopie durch, um die Lunge von den Casts zu befreien. Danach wird ein Herzkatheter durchgeführt, um zu schauen, ob am Kreislauf noch etwas optimiert werden kann. Mit Hilfe von MRT-Technologie und Kontrastmittel wird das Lymphsystem sichtbar gemacht. Das Ärzteteam in Philadelphia hat herausgefunden, dass bei Patienten mit Plastischer Bronchitis Lymphgänge in die Lunge münden die Lymphflüssigkeit in die Bronchien spülen.

Bei der eigentlichen Prozedur, der „Lymph Embolisation“, geht Dr Dori mit einer dünnen Nadel in die Lymphknoten und verklebt die Lymphgänge, die die Lymphe in die Bronchien leiten. Bei Julius wurde festgestellt, dass er ein massives Netzwerk an Lymphgängen gebildet hatte, welches sich rund um seine Lunge befand. Ein sehr großes, zusätzliches Lymphgefäß mündete direkt in seine rechte Lunge. Das Ärzteteam hatte in Julius‘ Fall keine andere Möglichkeit als den Hauptlymphzufluss (Ductus Thoracicus) und das große zusätzliche Lymphgefäß komplett zu verschließen, um alle anderen kleinen Zuflüsse in die Lunge dadurch trocken zu legen. Für unseren Sohn entstand also danach im Körper eine völlig neue Lymphsituation, was ihm die nächsten drei Tage Bauchschmerzen, Übelkeit und Probleme mit der Verdauung einbrachte. Diese Tage verbrachte er auf der Intensivstation. Glücklicherweise erholte sich Julius trotz seines schweren Eingriffs schneller als von den Ärzten erwartet und konnte genau eine Woche nach der Prozedur aus dem Krankenhaus entlassen werden. Drei Tage später waren mein Mann und mein Sohn wohlbehalten wieder zu Hause!

Der Eingriff ist jetzt mehr als zwei Monate her. Julius hat seitdem keine Casts und keinen zusätzlichen Sauerstoffbedarf mehr. Seine Sättigungen liegen jetzt tagsüber und nachts bei 93-95%. Er darf wieder alles essen, worauf er Lust hat und wir haben mittlerweile das Medikament Bosentan abgesetzt. Julius ist nicht mehr so kurzatmig, er braucht beim Fußballspielen und Trampolinspringen im Garten kaum noch Pausen. Nachts schläft er wieder durch, statt zu husten.

Für uns alle hat sich unser Leben dadurch unglaublich verändert und wir hoffen und beten, dass sein Zustand so bleibt!

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